Wie beginnt man eine Reise, wenn man nie
gelernt hat zu reisen? Mit Tipps? Mit einer Reisebegleitung? Der
56-Jährige Stevens versucht es mit einem
Buch. Sein neuer Dienstherr Farraday legt ihm ans Herz endlich einmal zu
verreisen. Dazu überlässt er ihm sein Auto und übernimmt die Benzinkosten. Für
den Butler ist es jedoch eine Reise in seine Vergangenheit. So weit er auch
kommt, schwelgt er immer wieder in Erinnerungen an früher. Wer war er? Und was
machte ihn als Butler aus? Was ist überhaupt ein perfekter Butler? Zudem
berichtet er immer wieder über die Zeit bei seinem alten Dienstherren
Darlington, der eine große Persönlichkeit war und viel Einfluss im 2. Weltkrieg
hatte.
Kazuo Ishiguro hat 2017 den Nobelpreis
erhalten. Den meistdotierten und bedeutendsten Buchpreis weltweit. Mag sein,
dass er mit diesem Buch nicht die größte Geschichte erzählt hat. Er hat aber
unter Beweis gestellt, dass man mit einer guten Sprache und Schreibfertigkeit
nicht den Stoff einer großen Geschichte benötigt, um einen Leser zu fesseln.
Die Bildhaftigkeit in der Sprache und die
filigrane Beschreibung der Figuren sind so speziell angefertigt worden, dass
man sich jede Figur hautnah vorstellen kann. Man gewinnt eine Nähe zu der
Geschichte, weil die Sprache und Artikulation der Figuren zu einer wahrhaftigen
Melodie werden. Der Ich-Erzähler ist ein Butler in jeder Faser seines Körpers.
Man merkt ihm an, wie wichtig ihm seine Arbeit, und alles was sich um seine
Arbeit spielt, ist. Jedes Detail, welches aus der Norm springt, interessiert
ihn nicht, weil er seinen Blick nur auf das Wesentliche fokussiert. Selten hat
man so eine Hingabe für einen Job in der Literatur zu lesen bekommen. Ein raffinierter
Schachzug, der ideenlosen Gesellschaft von heute zu zeigen, was in der
alltäglichen Arbeitswelt tatsächlich von Bedeutung ist.
Durch die Erzählung des Ich-Erzählers, der
auch erwähnt, dass gewisse Dinge auch anders abgelaufen sein könnten, sie lange
zurückliegen und seine Erinnerungen ihn auch täuschen könnten, gewinnt man viel
Sympathie zu der starken Persönlichkeit des Erzählers. Außerdem erhält der
Leser einen Blick auf eine Liebesgeschichte des Ich-Erzählers, die der Erzähler
selbst nie begriffen hat. Diese Raffinesse in der Erzählung zeichnet den großen
Meister Ishiguro aus.
Was auf der Strecke bleibt, ist das
Reiseerlebnis. Die Figur ist so sehr von der Vergangenheit ergriffen und
gefesselt, dass sie die Dinge, die sich vor ihren Augen bilden und eröffnen nur
vage und peripher wahrnimmt. Hier wäre eine Beschäftigung mit der Gegenwart
interessant gewesen. Jedoch lässt diese Lücke im Text keinen allzu großen Raum
für eine Diskussion, dass der vorliegende Roman ein wahres Meisterstück ist.
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