Vernon ist ein Bettler. Der ehemalige
Sonnyboy und Plattenhändler fristet ein Leben vor dem sich jeder ekelt. Wenn
man an solchen Menschen vorbeigeht, denkt man sich zumeist "geh doch
arbeiten". Aber wie wird man überhaupt zu einem Bettler? Was bewegt einen
Menschen dazu auf die Straße zu gehen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die
Bestsellerautorin Virginie Despentes (Bestsellerbuch: "Baise moi").
Zudem zeichnet sie eine französische Gesellschaft, die so nah am Puls der Zeit
ist, dass ein unglaublich glaubwürdiges Werk entstanden ist.
Terror, Religion und Fremdenhass sind
zentrale Themen dieses Buches. Die zahlreichen Figuren spiegeln die Individuen
der französischen Unzufriedenheit des 21. Jahrhunderts. Teilweise spielen die
Figuren nur eine periphere Rolle für die Erzählung. Wie Zaungäste posaunen sie
ihre Wut in den Äther und verschwinden wieder. Andere Figuren Spielgen
ebenfalls eine Infertilität, aber sie erzählen zugleich auch die Geschichte von
Vernon bzw. schildern ihre Erinnerungen an ihn, sodass man näher an den
wichtigsten Protagonisten des Romanes rückt.
Das zentrale Motto von Vernon ist sich
nicht über Krisen Gedanken zu machen, dann tangieren sie einen auch nicht.
Diese Leichtigkeit führt dazu, dass er nach der Schließung seines Ladens nie in
das Leben zurückfindet. Viele seiner besten Jugendfreunde sind früh gestorben.
Seine Eltern sind ebenfalls früh umgekommen. Allein, aber immer in Gesellschaft
von Frauen, glaubt er sich durchschlagen zu können und verwirft
Zukunftsgedanken. Als Alex, der ein "Zweck-Freund" ist und ein
reicher Megastar, stirbt, fehlen ihm die nötigen finanziellen Mittel, die er
ihm zur Verfügung gestellt hatte, um seine Wohnung zu bezahlen. Nach 4 Monaten
muss er sie verlassen und landet auf der Straße. Es beginnt die Suche nach
alten Freundschaften und die Geschichte eines Aufbruchs ins Ungewisse. Als
Journalisten und Produzenten sich vornehmen ein Buch über Alex zu schreiben,
rückt Vernon noch einmal in den Fokus, da er ihn sehr gut gekannt hatte. Doch
seine fehlende Wohnadresse führt dazu, dass sie, genauso wie der Protagonist
selbst, ins Leere tappen.
Sprachlich ist es ein absolutes Meisterwerk. Die Figuren
bedienen sich einer gehässigen, aber zugleich extremen Bildlichkeit in der
Sprache. Es wird auf zentrale Themen der heutigen Gesellschaft eingegangen und
die Frage nach der Wertigkeit eines Menschen gesucht. Zusammengesetzt ergibt
das ein sehr spannendes Buch und eine noch viel spannendere Entdeckung einer
Lücke im System. Umwerfend und polarisierend. Man darf sich freuen, dass es
2018 eine Fortsetzung gibt.
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