Was würde geschehen, wenn der Tod nicht
mehr die größte Angst eines Menschen wäre? Wenn das Leben nur eine
Zwischenstufe ist und der Tod einen in das nächste Level befördert? Wäre das
Menschsein noch eine Alternative? In Zeiten von Automatisierung und
Wunschdenken weiterer intelligenter Zivilisationen ein magischer Gedanke am
Puls der Zeit. Sergej Lukianenko versucht uns eine Welt zu zeigen, in der Angst
nur peripher ist. Aber was sind wir ohne sie?
Die Antwort heißt: Quazi. Nach dem Tod und
einer Zwischenstation als Aufständischer, in der man ohne Hirn sein Leben
fristet, wird man zu einem Quazi erhöht. Als Quazi ist man 1,5 mal stärker als
ein Mensch und hat eine hohe Körpertemperatur. Außerdem sind sie alle
Vegetarier, da sie sich als Aufständische von Menschenfleisch ernähren, können
sie jenes als Quazi nicht mehr runterwürgen. Um zu einem Aufständischen zu
werden, müssen 50 % des Körpers noch intakt sein. Weltweit gibt es sechs
Milliarden Aufständische und hundert Millionen Quazis. Davon sind 40 % radikal
und gegen ein Zusammenleben mit Menschen.
Denis Simonow ist 30 und hat alles
verloren. Als die Apokalypse vor zehn Jahren begann, hatte er noch eine Frau
und einen Sohn. Nun ist er der einzige Ermittler für Todesangelegenheiten im
Polizeirevier in Moskau. Sein Hass gegen Aufständische und Quazis bringt ihn
immer wieder in prekäre Situationen und er wird drei Mal von den Quazis
angezeigt. Die Folge ist, dass er einen Quazi als Partner zur Seite gestellt
bekommt: Michail Iwanowitsch. Dieser war in seinem Leben als Mensch
Revierleiter bei der Polizei. Die Quazis bleiben bei denjenigen Berufen, die
sie bereits als Menschen ausgeübt hatten. Sie können sich nicht mehr
weiterentwickeln und anderen Berufen nachgehen. Bis auf ihre blaugraue
Hautfarbe sind sie kongruent mit dem Aussehen der Menschen.
Denis ist eine authentische Figur, die sich
ignorant und selbstbewusst der Welt entgegenstellt. Schnell wird ihm bewusst,
dass die Menschen und die Quazis ein viel perfideres Spiel kokettieren, als es
der Öffentlichkeit präsentiert wird. Was hat es mit dem Gerücht auf sich, dass
ein Virus im Umlauf sei, welches alle Menschen auslöschen könnte? Und wer ist
dieser Junge, der mit Michail abhängt und suggeriert wird, dass es sein
verlorener Sohn ist?
Sergej Lukianenko ist einer der
erfolgreichsten russischen Autoren. Er arbeitet zynisch mit dem Phantomschmerz
der jungen Generation. Der innerliche Frust überwiegt bei seinen Figuren, weil
sie nicht mehr einfach so verreisen konnten und ein freies Leben mit freien
Gedanken genießen konnten. Alles war abgeschottet, das Land zu verlassen kaum
möglich. Er arbeitet mit den Motiven, dass wir in der Welt so viel tun können,
aber es nicht wertschätzen. Wie in seinen anderen Fantasy-Romanen sind seine
Gedanken immer auch mit der Realität verknüpft. In „Labyrinth der Spiegel“
beschäftigte er sich zum Beispiel mit der fortschreitenden Technologie und das
eines Tages die Menschen nur mehr in der virtuellen Welt leben würden. Dieses
Buch ist ein Zeitgeist, der wohl in ferner Zukunft nicht mehr utopisch wirken
wird. Die Wiedergeburt als eine stärkere Spezies scheint nicht so realistisch
zu sein, jedoch verknüpft er hier die rasante Innovation der Medizin mit der
Vorstellung etwas Größeres erschaffen zu können, als der Mensch ist.
Dies ist der erste Band einer Reihe. Es
scheint, als hätte er nach seiner langen Reihe der „Wächter“, eine neue,
raffinierte Fortsetzungsgeschichte kreiert, die uns noch lange beschäftigen
wird.
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