Samstag, 10. März 2018

So enden wir - Daniel Galera - Sprachrohr der Gesellschaft



Unruhen auf den Straßen. Korruption, Gewalt und die bevorstehende Weltmeisterschaft 2014 dominieren die Gesellschaft in Porto Alegre. Inmitten dieser Krisengesellschaft begegnet uns eine Clique bestehend aus Menschen, die ein divergierendes Leben suchen, fernab von der Moderne. Nostalgisch wünschen sie sich das Jahr vor der Jahrtausendwende zurück, als die Welt noch lebenswert war. Im neuen Jahrtausend gibt es diese Welt nicht mehr. Sie ist vergessen und verloren.

Emiliano, Aurero, Antero und Andrei schrieben in ihrer Jugend in einem Blog, welchen sie Orangotango nannten. Unbewusst lösten sie eine Bewegung los, die von vielen Menschen verfolgt wurde. Sie waren provokant, polarisierten die Thematiken der Zeit und suchten die Wahrheit. Viele Jahre später merken sie erst, welche Wirkung sie damals auf die Menschen hatten. Zudem ist aus den einzelnen Protagonisten etwas geworden. Emiliano wurde Journalist, Aurero Dr. in Biowissenschaften, Antero ein Millionär durch Marketing und Andrei erfolgreicher Autor. Sie trieben fort in ihre Karrieren und werden erst wieder Jahre später durch die Ermordung von Andrei zusammengeführt

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive der einzelnen Figuren beschrieben. Kapitelweise wechselt die Sicht zwischen den drei Figuren, die ihr Leben reflektieren und die Beziehung zu Andrei (Duke) thematisieren. Ihre Sprache ist frech und vulgär. Jedoch ist insbesondere die einzige weibliche Figur, Aurero, im Vordergrund der Geschichte, die die Auswirkungen der neuen Gesellschaft zu spüren bekommt. In ihr sind die Wehrlosigkeit und die Gesellschaftsbrüche verkörpert. Während die Aufgaben der anderen Protagonisten in der Aufklärung des Todes von Andrei bestehen und der Beschreibung der Notstände und Ausweglosigkeiten. Außerdem instrumentalisieren sie Aurero und helfen einen enzyklopädischen Einblick in ihr Leben zu gewinnen.

Der Autor Daniel Galera gehört der jüngeren Generation an und ist 38 Jahre alt. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, übersetzt selber auch Texte und schreibt Kolumnen für eine Zeitschrift. Seine Stärke in diesem Buch liegt in der Beschreibung und der Sprache und weniger in der Dramaturgie. Die Handlung findet nur langsam an Fahrt und bleibt oftmals im Wissensapparat des Autors stecken. Immer dann, wenn er versucht sein Wissen zu manifestieren, wirkt es so, als wolle er sich selbst inszenieren und lässt hierbei die Handlung auf der Strecke. Es steckt sehr viel Potential in diesem Autor. Er wird mit Sicherheit, in den nächsten Jahren, einige konstruktive Werke erschaffen. Dieses Buch könnte als Einstiegswerk dienen, um die Sprachergonomie des Autors kennenzulernen. Wer Handlung und Spannung sucht, wird sie nicht finden. Literarisch ist es allerdings äußerst gut gelungen.



Freitag, 9. März 2018

Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern - Timo Blunck - Eine wilde Odyssee



Über 100 Frauengeschichten, Schlägereien, wilde Partys, Drogen-Nächte und eine Reise um den gesamten Globus. Schröder hat epische Kapitel für seinen Lebenslauf kreiert. Wenn man sich am Ende des Lebens an die Highlights erinnern soll, die das Leben ausgemacht haben, kann Schröder ein bibeldickes Buch manifestieren. Aber er ist nicht stolz auf sein Leben. Vielmehr bereut er die Odyssee seiner Lebenstortur. Nachdem er betrunken und high zusammenbricht, zwingt ihn seine Schwester Esther dazu, sich in Therapie zu begeben. Dr. Schulz bekommt seine gesamte Lebensgeschichte zu hören und wird von der Geschichte so stark angezogen, dass sie jegliches Zeitgefühl verliert.

Wer ist dieser Schröder? Nach der Lektüre kann man diese Frage sehr leicht beantworten. Es ist eine Figur, die über 50 ist und erfolgreich durch viele Länder mit seiner Band tourte. Zusammen mit seinem imaginären Begleiter Knirpsi, der ihm immer wieder suggeriert, was er tun und denken soll. Er fungiert als dunkle Seite in seinem Hirn. Bereits früh wollte Schröder nicht so sein wie seine hochgebildeten Eltern. Seine Distanz zu seinem Vater, der Uni-Professor ist, führt ihn zu einem Draufgängerleben. Erste Sexerfahrungen erlebt er daher erst mit seiner Flucht. Die daraus evozierte erste Liebe ist zum Scheitern verurteilt. Über Jahre hinweg lernt er das Leben der Randgesellschaft kennen. Aus diesen Erfahrungen entwickelt er ein eigenes Bild von der perfekten Frau. Statt süß, intelligent, hübsch und sozial, entscheidet er sich für verrucht, geil, extrovertiert und abenteuerlustig.

Timo Blunck war selbst erfolgreicher Bassist einer Band und projiziert seine Erfahrungen auf den Inhalt dieses Buches. Es wirkt selten verstellt und solidarisiert sich mit einer Authentizität der Texte. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die 80er Jahre, die für ihn besinnungslose Sexorgien implizieren.

Die Geschichte dreht sich neben zahlreichen Abenteuern, Sexorgien und Sexlüsten auch um die Erfahrungen der Liebe. Schröder erschafft sich das Bild seiner perfekten Frau in Sophia, die es meisterhaft versteht sein Leben in ein Dramastück zu verwandeln. Sie bringt ihn in die kuriosesten Situationen und drängt ihn ständig zu Entscheidungen, die verlustgeprägt sind. Während er in Sehnsucht verfällt und die Liebe zu einer Reise macht, die ständig auf ihren Lebenswegen flaniert, beschäftigt sie sich ständig auch mit anderen Männern.

Der Schreibstil des Autors ist sehr prägnant. Sein Ich-Erzähler wirkt ständig authentisch und man kann sich äußerst schnell mit ihm identifizieren. Leider verliert sich das Buch mit ansteigender Seitenzahl in Banalität. Schröder verliert viel Sympathie, weil er Entscheidungen wie ein kleiner Schuljunge trifft. Das Buch beleuchtet ständig neue Zeitepochen und selbst diese verlieren mit zunehmenden Fortschreiten des Buches an Bildhaftigkeit und Emotion. Mühsam quält man sich letztendlich bis zum Schluss.

Marcel Reich-Ranicki forderte daraufhin oftmals 200 Seiten weniger. Diese hätten diesem Buch tatsächlich deutlich mehr Strahlkraft verliehen.

Rezensionen:

Die Suche - Charlotte Link - Mädchenfänger

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