Freitag, 28. April 2017

Die Entscheidung - Charlotte Link - Die Finsternis unserer Welt



Die mittlerweile 54-jährige Bestseller Autorin Charlotte Link hat ihr nächstes Buch herausgebracht. Sie gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren. Nach den letzten zwei sehr aufregenden Büchern »Im Tal des Fuchses« und »Die Betrogene«, war die Vorfreude auf den neuen Krimi »Die Entscheidung« dementsprechend exorbitant. 

Charlotte Link Kenner werden von der Erzählweise wenig überrascht sein. Meisterhaft spinnt die Autorin wieder ein Netz von widerwärtigen Konflikten und Geschehnissen. Erwartungsgemäß gelingt ihr das in ihrer prägnanten Sprache äußerst famos. Die Leichtigkeit der Schilderung der Ereignisse ist eine Tugend, die diese Autorin zu ihrer breiten Beliebtheit verholfen hat. Der Stil ihres Erzählens verleitet Menschen dazu, sich auch in Geschichten verlieben zu können. Bei dem neuen Werk scheint mir jedoch die Intensität zu groß zu sein. Die Beschäftigung mit den Details zu ausgeprägt. Seitenfüller. Unwichtiges als Wichtiges reklamierend. Ungewohnt bei dieser ansonsten prägnanten Schreiberin.


Die Handlung spielt sich zu einer Zeit ab, in der in Frankreich wegen der Terroranschläge immer noch der Ausnahmezustand herrscht. Die Erzählung beginnt mit einer Flucht Anfang Dezember, und umfasst eine mehrwöchige Odyssee durch Missverständnisse, Elend, Macht und Angst. Kapitelweiße werden immer die Tage datiert, an denen sich die Handlung abspielt. Eine Reise ist es auch deswegen, weil sich die Geschichte an mehreren Orten abspielt und sie, trotz der großen Entfernungen zueinander, verbindet. Paris, Lyon, Les Lecques und Sofia sind dabei zentrale Verbindungsantennen.

Die Hauptprotagonisten des Romans Nathalie und Simon sind die Säulen der Erzählung. Wobei Nathalie aus einer monologartigen Ich-Perspektive ihre Geschichte und die gegenwärtigen Handlungen erzählt und Simon aus der auktorialen Erzählsicht beschrieben wird. 
Weiters wird die Geschichte, wie bei Link gewöhnlich, aus der Sicht von vielen verschiedenen Figuren dargestellt. Man bekommt ein Konstrukt einer Geschichte aus den Augen vieler Charaktere. Diese äußerst interessante Vorgehensweise macht den Inhalt dieses Buches spannend. Die Spannung gerät jedoch immer dann ins Wanken, wenn die Erzählung dazu neigt, alles immer genau schildern zu wollen. Es macht den Eindruck einer Erklärungsnot. Mit den zunehmenden Seiten überschwemmt diese Schreibweise die Spannungselemente.

Simon ist ein 40-jähriger Übersetzer aus Hamburg, der seit einigen Jahren geschieden ist. Seine Mitmenschen echauffieren sich über seine Art, es jedem recht machen zu wollen. Durch seine Gutmütigkeit erreicht er immer das Gegenteil seiner Intentionen. Als seine Kinder ihm absagen, das Weihnachtsfest mit ihm zu verbringen, bleibt er in dem Ferienhaus seines Vaters in Frankreich alleine zurück. Seine neue Beziehung läuft ebenfalls auf sehr glattem Eis, sodass er betrübt einen Spaziergang am Strand vollzieht. Als er dort einen Streit mitbekommt und von einer jungen Frau angefleht wird ihr zu helfen, ist es wieder seine Gutmütigkeit, die ihn in eine verlegene Position kommen lässt. Er nimmt die fremde, verstörte Person mit sich in das Ferienhaus.
Der größte Fehler seines Lebens. Ab diesem Moment stürzt ihn seine Hilfsbereitschaft in eine Verstrickung, die sein Leben für immer verändern wird.

Das Buch handelt viele Themen am Puls der Zeit ab. Machtverhalten, Armenverhältnisse, Lebenskrisen und die heutzutage sehr präsente Thematik der Schleuserbanden sind dabei das Zentrum. Der Blick auf diese verschiedenen Themen wird sehr vergrößert dargestellt und durch die verschiedenen Charaktere manifestiert. Die Figuren, die aus verschiedenen Milieus stammen, versuchen diese Begriffe, aus verschiedener Sichtweise zu tragen und zu erklären. 

Die Problematik scheint mir hier zu sein, dass manchen Figuren die Authentizität fehlt. Manche Figuren wirken zu plastisch und zu hohl. Simon und Nathalie, die zwei Hauptcharaktere dieser Geschichte besitzen kaum Strahlkraft. Man fühlt sich als Leser sehr distanziert zu ihnen. Man versucht viel Abstand zu ihnen zu gewinnen.  Ein Ergebnis von zu wenig Leben in den Figuren. 
Um Marcel Reich-Ranickis Quintessenz zu Detailverliebtheit zu verwenden: 250 Seiten weniger hätten dem Buch mehr Stärke verliehen. Charlotte Link hat schon bessere Bücher geschrieben. Jedoch ist dieses Werk eines, welches sich mit sehr essentiellen, gesellschaftskritischen Themen befasst. Zu lesen lohnt es sich aus diesem Grund allemal.


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