Montag, 25. Dezember 2017

Die Optimierer - Theresa Hannig - Äußerst realistische Zukunftstendenzen



Was wären wir für Menschen, wenn wir uns kennen würden, ohne uns kennenlernen zu müssen? Wäre Freundschaft eine Utopie? Wäre die Liebe plastisch? Oder wären wir zufrieden, weil wir die Makel bereits im Voraus kennen würden und so nicht verletzbar wären und keine Angst vor einer schmerzhaften Trennung haben müssten. Sind Erfahrungen jedoch nicht jene, die uns erst als Menschen ausweisen? Theresa Hannig hat ein Buch geschrieben, welches vorausdenkt. Es manifestiert eine erstrebenswerte Welt, welche am Puls der Zeit zu liegen scheint, die jedoch auch viele Fragen an die Gesellschaft und ihr technifizierendes Zukunftsdenken stellt.

Es gibt nur mehr synthetisches Fleisch. Eine Kommunikationslinse im linken Auge zeigt alle Informationen, die man für das Leben wissen muss und autorisiert alle Personen, die einem über den Weg laufen. Automatisierte Autos, die keine Lenker benötigen und Roboter im Alltag, die alles regeln sind die Eckpfeiler des neuen Staates: Bundesrepublik Europa. Samson Freitag ist ein sehr zufriedener Bürger. Er lebt in München und arbeitet als Lebensberater. Es ist das Jahr 2052. In diesem soll sich einiges für ihn ergeben: eine Beförderung steht im Raum und außerdem bereitet er einen Heiratsantrag für seine Freundin Melanie vor, mit der er laut der Software zu 86 % zusammenpasst. Für die Beförderung fehlen ihm ein paar Sozialpunkte. Diese sammelt man, wenn man gutes für den Staat tut oder Korrekturvermerke an den Staat weiterleitet. Er hat stolze 980 Punkte und ist somit ein angesehener Bürger.

Das Prinzip des Staates ist einfach: jeder, der gebraucht wird, wird unterstützt. Sollte jemand jedoch nicht die Kriterien erfüllen, die der Wirtschaft nützlich sind, kommt er in die Kontemplation. Das bedeutet er wird ausgegliedert aus der Gesellschaft. Man bekommt ein Grundeinkommen und muss nie mehr etwas tun. Samson stört das nicht. So funktioniert das und er empfindet das als fair. Nur die Guten und Klugen können einen Staat aufrechterhalten. Außerdem schottet sich die Bundesrepublik Europa von allen anderen Staaten der Welt durch einen Zaun ab. Keiner darf in diese famose Welt. Für eine noch perfektere Ausgestaltung wird eine Konstellation von Berufsrobotern in den Arbeitsbereichen eingeführt, die alles überwachen. Sie sind fehlerlos. Menschen jedoch neigen zu Fehlern.

Die Elegien gegen diese Überwachungswelt werden strengstens überwacht und bestraft. Erst als Samson von seiner Freundin verlassen wird, weil er versessen ist ein optimaler Bürger zu werden und dem System blind folgt, beginnt sein Leben eine Drehung zu bekommen. Er entdeckt einen mysteriösen Fehler im System der Lebensberatung und begeht selbst einen Fehler, der ihn in eine Gefahr bringt, die sein ganzes Leben verändert.

Theresa Hannig hat sich an ein Thema herangewagt, welches sich explizit mit Zukunftsvisionen beschäftigt, die unserer Zivilisation nicht fremd sind. Edward Snowden öffnete der Welt die Augen, doch sie hielt sie verschlossen. Diese ablehnende Haltung gegen das Offensichtliche suggeriert eine äußerst folgende Gesellschaft, die ein System blindlinks akzeptiert. Deswegen sind Szenarien wie dieses Buch sie aufzeigt keine Unwahrscheinlichkeit. Sie erzeugen Bilder, die zum Nachdenken bewegen. Die Sprache im Buch ist eine äußerst prägnante, die auch mit sehr kurzen Kapiteln umzäunt wird. Was dem Buch fehlt, ist die Strahlkraft in den Figuren. Sie scheinen mir zu mechanisch und „robotisiert“. Die Hauptfigur Samson ist trotz aller Umstände nicht in der Lage eine Humanität zu gewinnen. Diese lieblose Ausgestaltung der Figur und die Machtlosigkeit einer Entwicklungstendenz, stumpfen das Buch etwas ab. Ansonsten ist es ein sehr zu empfehlendes Buch mit großem Potenzial und Visionen.




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