Mittwoch, 22. November 2017

Das Leben des Vernon Subutex - Virginie Despentes - Von einem Heimatlosen


Vernon ist ein Bettler. Der ehemalige Sonnyboy und Plattenhändler fristet ein Leben vor dem sich jeder ekelt. Wenn man an solchen Menschen vorbeigeht, denkt man sich zumeist "geh doch arbeiten". Aber wie wird man überhaupt zu einem Bettler? Was bewegt einen Menschen dazu auf die Straße zu gehen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Bestsellerautorin Virginie Despentes (Bestsellerbuch: "Baise moi"). Zudem zeichnet sie eine französische Gesellschaft, die so nah am Puls der Zeit ist, dass ein unglaublich glaubwürdiges Werk entstanden ist.

Terror, Religion und Fremdenhass sind zentrale Themen dieses Buches. Die zahlreichen Figuren spiegeln die Individuen der französischen Unzufriedenheit des 21. Jahrhunderts. Teilweise spielen die Figuren nur eine periphere Rolle für die Erzählung. Wie Zaungäste posaunen sie ihre Wut in den Äther und verschwinden wieder. Andere Figuren Spielgen ebenfalls eine Infertilität, aber sie erzählen zugleich auch die Geschichte von Vernon bzw. schildern ihre Erinnerungen an ihn, sodass man näher an den wichtigsten Protagonisten des Romanes rückt.

Das zentrale Motto von Vernon ist sich nicht über Krisen Gedanken zu machen, dann tangieren sie einen auch nicht. Diese Leichtigkeit führt dazu, dass er nach der Schließung seines Ladens nie in das Leben zurückfindet. Viele seiner besten Jugendfreunde sind früh gestorben. Seine Eltern sind ebenfalls früh umgekommen. Allein, aber immer in Gesellschaft von Frauen, glaubt er sich durchschlagen zu können und verwirft Zukunftsgedanken. Als Alex, der ein "Zweck-Freund" ist und ein reicher Megastar, stirbt, fehlen ihm die nötigen finanziellen Mittel, die er ihm zur Verfügung gestellt hatte, um seine Wohnung zu bezahlen. Nach 4 Monaten muss er sie verlassen und landet auf der Straße. Es beginnt die Suche nach alten Freundschaften und die Geschichte eines Aufbruchs ins Ungewisse. Als Journalisten und Produzenten sich vornehmen ein Buch über Alex zu schreiben, rückt Vernon noch einmal in den Fokus, da er ihn sehr gut gekannt hatte. Doch seine fehlende Wohnadresse führt dazu, dass sie, genauso wie der Protagonist selbst, ins Leere tappen.


Sprachlich ist  es ein absolutes Meisterwerk. Die Figuren bedienen sich einer gehässigen, aber zugleich extremen Bildlichkeit in der Sprache. Es wird auf zentrale Themen der heutigen Gesellschaft eingegangen und die Frage nach der Wertigkeit eines Menschen gesucht. Zusammengesetzt ergibt das ein sehr spannendes Buch und eine noch viel spannendere Entdeckung einer Lücke im System. Umwerfend und polarisierend. Man darf sich freuen, dass es 2018 eine Fortsetzung gibt.

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